Sparkassenpräsident Dr. Matthias Neth: „Kommunen sind die Herzkammer der Demokratie. Sie brauchen eine neue Balance von Aufgaben und Finanzmitteln“
Unter dem Leitmotiv „Kommune am Limit – Handlungsfähigkeit und Finanzstabilität erhalten“ kamen heute über 500 Vertreterinnen und Vertreter aus Städten, Gemeinden und Landkreisen zum 28. Kommunalforum der Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg im Kongresshaus Baden-Baden zusammen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Frage, wie Kommunen angesichts wachsender finanzieller Belastungen und struktureller Herausforderungen ihre Zukunftsfähigkeit sichern können.
Pressemitteilung
Dr. Matthias Neth, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg (SVBW), betonte in seiner Eröffnungsrede die zentrale Rolle der Sparkassen als verlässliche Partner der Kommunen: „Gemeinsam können wir Wege finden, die lokale Daseinsvorsorge zu sichern und Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Nachhaltigkeit fortzuführen. Die Sparkassen in Baden-Württemberg arbeiten intensiv mit der Landesbank Baden-Württemberg zusammen mit dem Ziel, eine neue Plattform zu entwickeln, über die kommunale Unternehmen Eigenkapital für weitere Investitionen einwerben können. Es ist unser Anspruch, eine kreditwirtschaftliche Lösung anzubieten, um den Finanzspielraum kommunaler Unternehmen zu erweitern.“
Zu Beginn des Forums betonte Alexander Wieland, Erster Bürgermeister der Stadt Baden-Baden, die Bedeutung des Dialogs zwischen Politik, Wissenschaft und Finanzwirtschaft.
Prof. Dr. Alexis von Komorowski: „Kommunen in Deutschland erwarten für 2025 30 Mrd. Euro Defizit“
Ein eindringliches Bild der aktuellen Lage zeichnete Prof. Dr. Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg, in seinem Vortrag „Kommunen am Limit“. Er machte deutlich, dass steigende Sozialausgaben, Investitionsrückstände und sinkende Einnahmen viele Städte und Landkreise an die Grenze ihrer Handlungsfähigkeit bringen. „Der Absturz der Kommunalfinanzen ist in diesem Ausmaß und in dieser Geschwindigkeit beispiellos. Die deutschen Kommunen erwarten für 2025 ein Defizit von über 30 Mrd. Euro. Und in den folgenden Jahren wird dieses Defizit den Prognosen zufolge noch weiter steigen. Dabei hat es an Warnungen der Kommunen nicht gefehlt. Seit Jahren schon weisen wir auf die strukturelle Schieflage hin, dass die Kommunen mehr als ein Viertel der gesamtstaatlichen Ausgaben tragen, aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen erhalten. Bund und Land müssen jetzt schnell und beherzt reagieren, um die kommunalen Haushalte vor dem kompletten Kollaps zu bewahren. Andernfalls werden auch in Baden-Württemberg absehbar Kassenkredite explodieren, nicht genehmigungsfähige Haushalte an der Tagesordnung sein und schmerzhafte Einschnitte bei der kommunalen Daseinsvorsorge zur bitteren Realität werden – mit unkalkulierbaren Folgen für das Vertrauen der Menschen in unsere von unten nach oben aufgebaute Demokratie.“
Prof. Dr. Lars Feld: „Priorisierung öffentlicher Aufgaben ist Gebot der Stunde“
In seinem Impulsvortrag zeigte Prof. Dr. Lars Feld, Direktor des Walter-Eucken-Instituts und Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br., wie durch eine Priorisierung öffentlicher Ausgaben und eine strategische Transformation der Finanzpolitik neue Handlungsspielräume entstehen können.
Prof. Dr. Maja Göpel: „Brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag“
Den Blick in die Zukunft öffnete Prof. Dr. Maja Göpel, Honorarprofessorin an der Leuphana Universität, Lüneburg, die für ein Umdenken in Richtung nachhaltiger Wertschöpfung und resilienter Kommunalstrukturen plädierte. „Gerade in unsicheren Zeiten wird das direkte Lebensumfeld für Menschen sehr wichtig. Kommunen stehen im Fokus, wenn es um Strategien geht, wie Versorgungssicherheit und das Vertrauen in Politik und gesellschaftliche Handlungsfähigkeit wieder erneuert werden können. Umgekehrt ist genau diese Handlungsfähigkeit im Mehrebenensystem auch mehrfach eingeschränkt. Höchste Zeit also, Prinzipien einer Just Transition zu beherzigen, Betroffene zu Akteuren der Zukunftsgestaltung zu machen und der Idee eines Gesellschaftsvertrages wieder neues Leben einzuhauchen. Dann entsteht auch wirtschaftliche Dynamik.“
In der Podiumsdiskussion sprach Moderator Andreas Franik mit den Oberbürgermeistern Clemens Moll (Weingarten) und Prof. Dr. Eckart Würzner (Heidelberg) über praxisnahe Lösungsansätze – von innovativen Finanzierungsmodellen über interkommunale Kooperationen bis hin zu neuen Ansätzen der Bürgerbeteiligung.
Clemens Moll: „Wir leben an manchen Stellen über unsere Verhältnisse“
„Wir leben in Zeiten, in denen kommunale Haushalte nicht mehr alle Wünsche erfüllen können – aber wir können sie gemeinsam gestalten. Weingarten ist keine arme Stadt, doch wir leben an manchen Stellen über unsere Verhältnisse. Jetzt gilt es, ehrlich zu priorisieren und Verantwortung zu teilen – zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft. Wenn wir liebgewonnene Einrichtungen erhalten wollen, braucht es auch Menschen, die bereit sind, sich dafür einzusetzen. Der Förderverein für unsere Bäder zeigt, was möglich ist, wenn Engagement auf Zusammenhalt trifft. Wir müssen weg von der Vollkasko-Mentalität hin zu mehr Eigenverantwortung und einem realistischen Blick auf das Machbare. Nur im Schulterschluss gelingt es uns, unsere Stadt zukunftsfähig und lebenswert zu halten.“
Prof. Dr. Eckart Würzner: „Bund und Länder müssen entschlossen gegensteuern“
„Die finanzielle Lage vieler Kommunen in Deutschland ist besorgniserregend. Steigende Sozialausgaben, Investitionsstaus und die Folgen multipler Krisen bringen Städte wie Heidelberg zunehmend an ihre Belastungsgrenze. Wenn Bund und Länder nicht entschlossen gegensteuern und die kommunale Ebene nachhaltig stärken, werden die Städte und Gemeinden sukzessive an Handlungsfähigkeit verlieren – mit spürbaren Folgen für Bürgerinnen und Bürger. Gerade in dieser Lage sind verlässliche Partner wie die Sparkassen unverzichtbar. Sie stehen den Städten als Kreditgeber und Mitgestalter zur Seite und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer kommunalen Infrastruktur.“ Das Kommunalforum macht deutlich: Trotz knapper Kassen bleibt der Gestaltungswille in den Kommunen ungebrochen. Die Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg wird diesen Weg weiterhin partnerschaftlich begleiten – für starke Kommunen und eine stabile Zukunft.
Über den Sparkassenverband Baden-Württemberg:
Der Sparkassenverband Baden-Württemberg (SVBW) fördert das öffentliche Sparkassenwesen und die Zusammenarbeit innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe. Er stärkt die Position der 50 baden-württembergischen Mitgliedssparkassen als Dienstleister für ihre Kunden und verbessert gemeinsam mit den Sparkassen das Service- und Produktangebot. Der SVBW unterstützt die Sparkassen bei der Ausrichtung auf veränderte Rahmenbedingungen und ermöglicht den gemeinschaftlichen öffentlichen Auftritt mit den Verbundunternehmen.
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