Kommunalforum 2015

Auf anderen Wegen zum Ziel.

Kommunalforum des Sparkassenverbandes in Baden-Baden um positiveres Altersbild bemüht

von Franz Vollmer

Baden-Baden - Die Publikumsbeschimpfung saß und wurde sogar von den Rezipienten wohlwollend quittiert. "Wenn Sie nicht mehr sind, gibt es kein Problem mehr", brachte Bernd Raffelhüschen das Thema des Tages (demografischer Wandel) auf den Punkt und hatte so die Lacher auf seiner Seite.

Immerhin gehörten die rund 400 Gäste beim 19. Kommunalforum des Sparkassenverbands Baden-Württemberg in Baden-Baden weitgehend zu jenem dominanten "Knubbel" in der Alterspyramide.

Ansonsten waren die Einstiegsreferate im Kongresshaus bemüht, den Alterungsprozess hierzulande konstruktiv zu nehmen, wobei man selten umhinkam, die Flüchtlingsdebatte zu streifen.

Um ein positiv besetztes Altersbild, weg von Belastung und Hinfälligkeit, war insbesondere Sven-Olaf Obst, Referatsleiter im Bundesfamilienministerium, bemüht. Die Leistungsfähigkeit und Effektivität der älteren Generation ("Sie geht andere Wege zum Ziel") seien nicht nur beim Berlin-Marathon wahrzunehmen, sondern ganz nebenbei auch geeignetes Mittel gegen den Fachkräftemangel. Dabei plädierte Obst dafür, den Altersbegriff differenzierter zu fassen und sprach eher von einem zu gestaltenden "Übergang". Wichtig in der Diskussion sei, alle Beteiligten mitzunehmen und das längere Leben insgesamt in den Blick zu bekommen.

Voraussetzung hierfür sei aber - und hier sei die Politik rahmengebend gefordert - stets die Vereinbarkeit für die mittlere Generation, die als Erzieher, Pflegende und Arbeitnehmer gefordert sei. Aktuell werden immerhin 60 Prozent der älteren Menschen zu Hause versorgt und das zum Großteil von berufstätigen Frauen. Gefragt seien "neue Denkansätze" mit dem Ziel eines selbststimmten Lebens im Alter.

Zuvor hatte Bernd Raffelhüschen, Volkswirtschaftler und Rentenexperte an der Universität Freiburg, in kabarettreifem Stil ("Heesters-Effekt", "Koffein-Flash" bei der Ehrung 100-Jähriger) an den Gerechtigkeitssinn der angehenden Senioren appelliert, zumindest scheint ihm dies mit Blick auf die Statistiken angebracht. Seine These: Gleichbleibende Standards bei verlängerter Lebenszeit - diese Kosten an die nächste Generation weiterzureichen, die auch noch unnötig dünn besetzt sei ("Sie sind nicht nur das Problem, Sie haben es auch verursacht"), funktioniere kaum. "Die werden Ihnen auf die Füße treten", prophezeit er.

In diesem Zusammenhang machte er sich auch für eine entspanntere Debatte beim Thema Asyl und Zuwanderung stark und riet, beides klar zu trennen. Von einem ansteigenden Trend könne statistisch jedenfalls nicht die Rede sein, zumal gerade die Zuwanderung über Jahre hinweg einer Sinuskurve gleiche und auch auf die Demografieverschiebung wenig Einfluss habe. Der Bevölkerungsrückgang werde nur kurz gebremst. Notwendig sei aber mehr Reglementierung von staatlicher Seite, "wir müssen vor allem die Arbeitsmärkte steuern", so Raffelhüschen; er ermunterte zu einer Willkommenskultur: "Wir nützen denen, die nützen uns."

Auch für Rainer Dulger, Präsident Gesamtmetall, ist die nachhaltige Einbindung der älteren Semester in den Arbeitsprozess ebenso ein wichtiger Baustein zur Stärkung des Standorts Deutschland wie die Integration. "Wir wollen Älteren eine Zukunft bieten und von Ihren Erfahrungen und Kenntnissen profitieren", betonte Dulger, zumal sich der Anteil der über 60-jährigen Arbeitnehmer mittlerweile verdreifacht habe. Dulger mahnte aber auch, sich etwa bei Arbeitszeiten "von veralteten Mustern zu verabschieden". Auch Integration ("Aus Fremden werden Kollegen") sei kein Automatismus. Ohne Bildung, Spracherwerb und Leistungswillen werde man keine Chance haben.

Baden-Badens Oberbürgermeisterin Margret Mergen (CDU) sieht in der neuen aktiven Rentengeneration ebenfalls Potenzial, das es volkswirtschaftlich zu nutzen gelte, die Kurstadt sei hier in der Vorreiterrolle ("Wir sind 15 Jahre voraus"), vielleicht auch bald mit neuen Wohnkonzepten (Alten-Wohngemeinschaften).